Blindfisch_01: Erfahrungsbericht meiner Netzhautablösung

Blindfisch_01, Freitag, 27. Juli 2018, 08:57 (vor 2093 Tagen) @ KAtharina

Hallo liebe Nezis,
vorab etwas zu meiner Vorgeschichte. Ich leide an einer Frühgeborenenretinopathie, d. h. seit meiner Geburt sehe ich auf dem linken Auge nichts (keine Lichtscheinwahrnehmung). Auf dem rechten Auge eingeschränkt. Ich habe keine Ahnung wie viel, da mich das nie groß interessiert hatte. Ich hatte einen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 80.

Im April 2008 sah ich plötzlich auf dem rechten Auge wie durch eine dicke Milchglasscheibe und bin zum Augenarzt. Dieser meinte, dass er nicht in das Auge sehen kann. So bin ich wieder nach Hause gegangen (in Begleitung). Einige Zeit später kam dann ein schwarzer Vorhang runter und ich bin in eine Klinik gefahren. Da bekam ich die Diagnose Netzhautablösung und wurde noch am selben Tag ambulant gelasert. Ich war froh, dass alles so gut verlief und ging zufrieden nach Hause.

Im Juli 2008 bestand ich meinen mittleren Schulabschluss an einer Schule ohne Förderschwerpunkt und wechselte ab September 2008 an ein Gymnasium für Blinde und Sehbehinderte (Ich bin ja wie oben erwähnt, seit meiner Geburt sehbehindert.). Dort fand ich schnell neue Freunde und lernte aus Interesse die Blindenschrift, um „geheime“ Briefe an Freunde schreiben zu können. Blindenschrift konnte auch dort nicht jeder lesen. Ich las die Blindenschrift allerdings mit den Augen, konnte sie also nicht mit den Fingerspitzen lesen.

Einen Tag vor Weihnachten 2008 wollte meine Oma ihre Augen in der Klinik überprüfen lassen, da sie angeblich schlecht sieht. Ich bin widerwillig mitgegangen, obwohl ich keine Lust hatte. Bei einer „spontanen“ Untersuchung meines Auges wurde eine erneute Netzhautablösung festgestellt. Meine Oma wurde entlassen, da sie keine Augenprobleme hatte. Ich wurde am nächsten Tag, exakt zu Weihnachten 2008, operiert. Es wurde eine Kryokoagulation (Kältevereisung) gemacht. Zusätzlich bekam ich Gas ins Auge und musste eine Woche lang nach unten schauen, d. h. auch nachts auf dem Bauch liegen, was sehr gewöhnungsbedürftig war. Nach einer Woche wurde ich entlassen. Das Sehen stellte sich sehr langsam wieder ein.

Bei einer abschließenden augenärztlichen Kontrolle wurden ein Sehtest und eine Gesichtsfeldmessung gemacht. Im Zentrum habe ich eine Sehleistung von 10%, allerdings habe ich eine so gravierende Gesichtsfeldeinschränkung mit der Zeit bekommen (Stecknadelkopfgröße), dass ich seit Mai 2011 „gesetzlich“ blind bin, d. h. die Summe der Einschränkungen ist so groß, dass ich zusammengenommen nur noch 2% sehe. Seit Mai 2011 ist mein Sehen von 2% stabil. Ich hoffe dies bleibt so, denn es ist für mich ein riesen Unterschied, ob man 2% oder gar nichts sieht.

Ich kann froh sein, dass ich auf einem Gymnasium für Blinde war, denn dort habe ich das Laufen mit dem Blindenstock gelernt, sowie die Blindenschrift weiter geübt und bin nun in der Lage, diese problemlos mit dem Fingern zu lesen.

Zum Abschluss noch ein paar positive Fakten:
Im Januar 2011 bestand ich mein Abitur.
Im August 2015 bestand ich meine IHK-Ausbildung zur Archivarin (habe im Hörfunkbereich gearbeitet).
Seit Juli 2017 bin ich glücklich mit meinem SEHENDEN Mann verheiratet.

Ihr „seht“, das Leben geht immer weiter.

Trotz, oder gerade wegen? :-) , meiner Blindheit komme ich super im Leben zurecht.
Das Leben ist dennoch lebenswert, gebt die Hoffnung nie auf! Gerade dieses Forum hat mir über die schlimme Zeit hinweggeholfen. Vielen Dank dafür!

Aber selbst wenn ich mein Augenlicht komplett verliere, so richtig Angst habe ich nicht, denn ich kann immer noch denken, ich kann immer noch hören, ich kann sprechen und ich kann laufen. Und solange meine Beine mich tragen, laufe ich erst mal weiter. Und das am liebsten vorwärts durchs Leben.


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