Vorbereiten oder den Augenblick leben ....

C.S., Donnerstag, 18. Januar 2007, 10:40 (vor 6315 Tagen)

sollte man sich eigentlich auf die anstehende Sehbehinderung irgendwie vorbereiten oder lieber jetzt die Zeit voll genießen und sich dann erst mit der Situation auseinandersetzen, wenn sie eingetreten ist> Wenn man nämlich jetzt schon ständig in Foren surft und ähnliches fühlt man sich bereits jetzt schon als ob man bereits blind wäre.

C.S.


Re: Vorbereiten oder den Augenblick leben ....

Angelika (Bayern), Donnerstag, 18. Januar 2007, 11:42 (vor 6315 Tagen) @ C.S.


Als Antwort auf: Vorbereiten oder den Augenblick leben .... von C.S. am 18. Januar 2007 10:40:23:


Hallo C.S.,
das ist eine sehr individuelle Sache. Der eine bereitet sich vor, der nächste ignoriert, der dritte genießt und versucht, so viel wie möglich aufzunehmen. Es gibt sicherlich noch viele andere Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen.
Welcher Weg letztendlich der bessere oder sogar beste ist, muß jeder für sich entscheiden. Bei mir ist die Sehbehinderung erstmalig klar zu Tage getreten, als ich die erste Lehrstelle deswegen aufgeben mußte (ich bin seit Geburt einäugig). Dann war lange Zeit Ruhe und ich habe ein ganz normales Leben gelebt, bin Auto gefahren und habe gearbeitet, als wäre nix. Mein Führerschein war zwar eingeschränkt, aber das hat mein Leben an sich wenig beeinträchtigt. Probleme traten erst auf, als sich meine Sehfähigkeit auf dem "gesunden" Auge verschlechterte - und das war ein extremes Wechselbad der Gefühle. Ignorieren war da nicht mehr drin. Ich bin meinen Weg voran gegangen und habe mich auf das letzte extrem eingestellt - da bin ich heute noch bei :-)
Je nach Sehkraft und Umgebung benötige ich andere Hilfsmittel oder muß die vorhandenen anders einsetzen. Diese Einstellung ist ein laufender Prozess, der auch andauern wird, wenn ich völlig erblindet sein sollte. Über die Selbsthilfe kann ich "nur" versuchen, anderen in ähnlicher Situation zu zeigen, daß es weitergeht - und zwar nicht schlechter oder besser, sondern eben anders. Und das meine ich ernst. Das Leben mit sämtlichen Arten von Sehbehinderung ist nicht schlechter als das Leben mit voller Sehkraft - es ist nur anders. Außerdem ist es eine Frage des Maßstabes. Auch ein völlig Gesunder kann sich verrückt machen, weil er nicht so viel Geld hat, wie sein Nachbar (und darum z.B. nicht in die Karibik fliegen kann). Als Sehbehinderter könnte ich mich verrückt machen, weil ich aufs Auto verzichten muß.....(hey, können sich nicht viele Leute ein Auto mit Chauffeur leisten *grins) - es gibt also immer zwei Seiten der Medaille, und die sollten wir uns bewußt machen. Nicht das, was wir verlieren, zählt, sondern das, was wir gewinnen. Es gäbe z. B. nicht so viele Hörbücher, wären nicht Sehbehinderte dahinter her, wie der Teufel.....
Sehende haben irgendwann gemerkt, daß sich diese Dinger auch ganz gut für´s Auto eignen. Dadurch stieg die Nachfrage und jetzt profitieren beide Seiten.
Viel Vergnügen beim Nach-Denken (das ja eigentlich Vor-Denken heißen müßte)
Angelika

www.sehbehinderung-bayern.de


Re: Vorbereiten oder den Augenblick leben ....

Wolfram, Donnerstag, 18. Januar 2007, 14:03 (vor 6315 Tagen) @ C.S.


Als Antwort auf: Vorbereiten oder den Augenblick leben .... von C.S. am 18. Januar 2007 10:40:23:


Hallo C.S.
"Si vis pacem, para bellum" - "Wenn Du Frieden willst, sei kriegsbereit".
Gleiche Meinung, wie Angelika - Schon mal gucken, was die Zukunft bringen KÖNNTE - wenn sie dann Gegenwart ist, kann aber alles ganz anders sein. Die Forschung tut sehr viel und keiner weiß, wie (und wann) es bei Dir akut sein wird!
Im Übrigen: ICH fühle mich hier in diesem Forum nicht, als ob ich schon blind wäre. obwohl ich weiß, daß es sehr schnell gehen kann...
Ich wünsche Dir Kraft und Erkenntnis!
LG Wolfram


Re: Vorbereiten oder den Augenblick leben ....

maren b. (rlp), Donnerstag, 18. Januar 2007, 19:46 (vor 6314 Tagen) @ Wolfram


Als Antwort auf: Re: Vorbereiten oder den Augenblick leben .... von Wolfram am 18. Januar 2007 14:03:34:


hallo lieber wolfram,
muß dir nun mal endlich die rückmeldung geben, das deine beiträge hier im forum wirklich gold sind!!! so weit ich es aus deinen beiträgen entnehmen konnte, hast du auch schon eine ordentliche portion an krisen angepackt und uns allen von deinem weg und den erfahrungen etwas mitgegeben.
für meinen teil ist es in jedem fall so, ich lese als mutter eines betroffenen nha-patienten hier regelmäßig und ich bin immer dankbar für deine beiträge wie du dein schicksal angenommen hast, nicht nur im bezug auf das schicksal von nha-leuten, auch in bezug zu meinen eigenen problemen, die sehr unabhängig von nha sind , aber auch als co-patientin - als mutter.
manchmal denke ich, es ist nicht wirklich wesentlich,WAS uns von unseren fähigkeiten/unserem leben genommen wird (gehen, sprechen, hören, sehen - lachen, freude, lebensmut >>) für jede persönlichkeit ist es ihr eigens/ individuelles/exestienziell problem, bis sie gelernt hat anzunehmen...>>!!
wie denkst du>

danke das du hier schreibst!!! und das auch du von diesem forum tanken kannst!!!
und ich wünsche uns allen das du uns hier lange begleiten wirst !!!

beste grüße
maren

Re: Vorbereiten oder den Augenblick leben ....

Wolfram, Freitag, 19. Januar 2007, 10:33 (vor 6314 Tagen) @ maren b. (rlp)


Als Antwort auf: Re: Vorbereiten oder den Augenblick leben .... von maren b. (rlp) am 18. Januar 2007 19:46:06:


Hallo Maren,
dankeschön für Deine mail. Sie hat mich ein bißchen beschämt, denn ich komme sehr oft mit mir selber nicht klar. Dann brauche ICH Hilfe (Bekomme sie zum Glück auch meistens). Ich weiß nicht, ob ich gelernt habe, mich - so wie ich bin - anzunehmen> Manchmal jedenfalls nicht! Sehr oft nicht!
Vielleicht hatte ich auch viel Glück. Daß die NHAn rechtzeitig erkannt wurden; daß ich hier in der Uni-Augenklinik Dresden tolle Ärzte und Schwestern hatte, die eben nicht nur (wie von OBEN gefordert) steriles Dienstleistungspersonal waren (und sind>), daß ich bei den Medizinern (nicht nur AA) hier Vertrauen haben durfte und darf, daß ich nach 9 Jahren noch immer Öl im Auge habe, ohne daß die Hornhaut massiv angegriffen wird oder der Druck steigt...
Und wenn ich - an für mich vielleicht anderer Stelle - nur ein ganz klein wenig zurückgeben kann von dem, was ich bekommen habe und bekomme; daß ich von meinen Erfahrungen und Erlebnissen erzählen und vielleicht sogar ein bißchen Mut machen kann - dann ist das vielleicht nur ein kleines Dankeschön (auf Umwegen) an die, die MIR helfen>
Herzliche Grüße aus Dresden - und danke nochmal für Deine mail
Wolfram


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