eine lange Geschichte

mice, Mittwoch, 11. April 2007, 16:20 (vor 6228 Tagen)

hallo Freunde,

ich bin neu in diesem Forum und möchte mich mit meiner Geschichte bei euch einmal vorstellen. gleich vorab: ich benutze eine Text Erkennung Software, habt also mit all den Fehlern im Text bitte ein wenig Nachsicht ;-)

Seit meinem zweiten Lebensjahr bin ich bereits Augen Patient. Erste Operation mit sechs und 10 Jahren. Erste Netzhaut-OPs am linken und am rechten Auge im Alter von 22 in der Uni Münster. Es folgten noch einige weitere Kryo- und Laser Behandlungen. 1995 erste Netzhaut-Blutungen im rechten Auge. 2005 dann ein Riesen Loch in der Netzhaut des rechten Auges. Dieses wurde zwar mit Laser in der Augenklinik Ahaus abgeriegelt, eine Netzhaut Ablösung von zirka 60 Prozent folgte aber im Januar 2006. Zunächst wurde versucht die Netzhaut mithilfe von Gas wieder anzulegen, was aber fehlschlug, weil das Gas unkontrolliert expandierte und der Augen Innendruck extrem anstieg. In zwei kleineren Revisions-OPs unter örtlicher Betäubung wurde der Druck minimiert in dem man das Gas abgelassen hatte. Aber auch das half nichts, in einer zweiten großen OP wurde das Gas durch Silikon Öl ausgetauscht. Ich habe das Krankenhaus mit einem enormen Visus-Verlust verlassen. Vor der OP hatte ich auf dem rechten Auge einen Visus von 0,4 und nach der OP waren es noch zunächst 0,05. Das Auge erholte sich etwas und der Visus stabilisierte sich auf 0,1 mit Sehhilfe. Auf dem linken Auge war schon lange nur das erkennen von Handbewegungen und Licht möglich. im Sommer 2006 wurde wieder ein kleines Loch in der Netzhaut des rechten Auge entdeckt, dass wieder mit Laser behandelt wurde. Im Januar 2007 sollte das Silikon Öl entfernt werden. Die ersten zwei Tage nach der OP sah alles noch recht gut aus.
dann aber fiel die Augen Innendruck bis auf Null ab. Es kam zu einer anschwellung der Aderhaut und zu Faltenbildung. Ich wurde in die Uniklinik Köln überwiesen. Dort wurde bei der vollständigen Untersuchung eine weiterer Amotio im linken Auge festgestellt. zunächst aber wurde das rechte Auge operiert und wieder mit Öl gefüllt. Sieben Tage später dann war eine "Total-OP" am linken Auge nötig. Auch hier wurden Linse und Glaskörper entfernt, die Ablösung durch Endo- und Exokryo behandelt, eine künstliche Linse implantiert sowie eine Cerclage gelegt. der Visus auf dem rechten Auge hat durch die Maßnahmenoch einmal gelitten und beträgt nun 0,04. Der Augeninnendruck hat sich nicht wieder erholt und ist momentan bei 3 mmGH während er auf dem linken Auge mit Cosopt Tropfen stabil gehalten werden muss.

soviel zum nüchternen medizinischen Realität. Wie sieht nun das Leben nach so einem Schlag aus> Nach anfänglichen Ängsten, nächtlichen Panikattacken und der stetig im Raum stehenden Frage nach dem "wie geht es weiter" beruhigt sich die Situation dann doch.

man fängt früher ode später wieder an, seinen Alltag zu meistern, einen neuen Lebensrhythmus für sich zu finden und nach Alternativen zu suchen. Sicherlich muss man vieles aufgeben, vieles kann man aber auch behalten in dem man es verändert, viele neue Dinge kommen dazu. So habe ich zum Beispiel Hörbücher für mich entdeckt, viele Dokumentationen kann man ebenso gut hören wie sehen. Meiner kleinen redaktionellen Arbeit bei MyOwnMusic kann ich auch weiterhin durch Browser-Erweiterungen und Spracherkennungssoftware nachgehen. Ein wenig Umstrukturierung im Haushalt lassen schon bald nicht mehr daran denken, dass man eigentlich kaum noch was sieht.

Ein gravierendes Manko ist die eindeutig eingeschränkte Mobilität. So gehen selbstständige Einkäufe genauso wenig, wie der kleine Ausflug auf dem Roller am Sonntag. Aber dank guter Freunde und dem Rückhalt in der Familie sind auch hier für mich wieder neue Wege freigeworden.

Ich kann nur jedem hier raten,sich nicht in diffuser Selbstaufgabe gehen zu lassen, sondern der Erkrankung direkt "ins Auge zu sehen" und das Leben anzupacken. Das fällt manchmal nicht leicht und es gibt immer wieder einmal kleinere und größere Rückschläge, die man aber durchaus auch als Motivationsschub ansehen kann. Letztendlich ist ein Leben ohne Kampf noch eher langweilig ;-)

Ängste vor schwerwiegenden Operationen sind normal, lasst euch davon aber nicht lähmen. Informiert euch genau mit dem, was auf euch zukommt. Befragt auch ruhig hartnäckig die Ärzte nach ihrer Vorgehensweise. Das wird sie zwar manchmal nerven, (besonders in Unikliniken wird Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten nicht sonderlich großgeschrieben) aber damit kann man gut leben.

Ich wünsche euch allen hier alles erdenklich Gute und haltet die Augen auf und die Ohren steif :-)

mice

Re: eine lange Geschichte

Nicole, Donnerstag, 12. April 2007, 08:40 (vor 6227 Tagen) @ mice


Als Antwort auf: eine lange Geschichte von mice am 11. April 2007 16:20:14:


Hallo Mice, ich finde es immer wieder faszinierend zu lesen, wie schnell sich Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen auf ihre neue Situation einstellen und damit umgehen lernen. Das hat wirklich meinen allergrößten Respekt. Sicherlich, was bleibt einem auch anderes übrig, wird die Gegenfrage sein. Aber wenn man doch mal überlegt, dass der Mensch doch eher visuell ausgerichtet ist und das Sehen als wichtigste Sinnesleistung gilt, ist es doch um so erstaunlicher, wie schnell dieser Sinn dennoch adäquat kompensiert werden kann.

Daher beide Daumen hoch für Dich und Deine tolle Einstellung, ich wünsche Dir dass sich Deine Augen langsam beruhigen und Du künftig keine größeren Probleme mehr damit hast (ja ich weiß, vielleicht ein frommer Wunsch, aber trotzdem ...).

Viele Grüße, Nicole

Re: eine lange Geschichte

Bernhard, Donnerstag, 12. April 2007, 22:28 (vor 6227 Tagen) @ mice


Als Antwort auf: eine lange Geschichte von mice am 11. April 2007 16:20:14:


Hallo Mice!
Kann Dich nur bewundern für Deine Einstellung. Toll, da kann ich mir eine Scheibe von abschneiden.
Wie auch immer. Ich habe jede Menge Hörbücher und stelle Sie Dir gerne zur Verfügung. Vielleicht findet sich ein unkomplizierter Datentransfer zwischen Wien und >>>.
Meine mailadresse ist b.soyka@inode.at.
Scheue nicht davor mir zu schreiben.
Alles Liebe
Bernhard


Re: eine lange Geschichte

Flora, Donnerstag, 12. April 2007, 23:08 (vor 6227 Tagen) @ mice


Als Antwort auf: eine lange Geschichte von mice am 11. April 2007 16:20:14:


Hallo Mice,
Ich hatte vor 2 Jahren auch eine Krise mit Panikattacken wegen plötzlicher Sehverschlechterung, allerdings wegen geringerem Sehverlust.
Und für mich ist deine Geschichte sowie deine daraus gewonnene Einstellung höchst bewundernswert.
Ich wünsch dir weiterhin Alles Gute
Flora


Re: eine lange Geschichte

Manuela, Freitag, 13. April 2007, 11:38 (vor 6226 Tagen) @ mice


Als Antwort auf: eine lange Geschichte von mice am 11. April 2007 16:20:14:


Hallo,
mir erging es mit meinen Augen genauso.
Nun auf dem rechten Auge fast blind, Augendruck fallend.
Auch das linke Auge verändert sich zunehmend....
Leider hat mein Ehemann durch diese Probleme die Flucht
ergriffen - er will eine Frau die arbeitet und gesund ist!
Habe 27 Jahre Vollzeit gearbeitet.,
Einen Partner zu finden ist schwer, denn wer will eine Frau,
die blind wird und ihr Auge verliert... (Obwohl ich sonst "normal"
bin und aussehe)
Hier die Hoffnung nicht zu verlieren ist schwer!

Re: eine lange Geschichte

mice, Freitag, 13. April 2007, 15:22 (vor 6226 Tagen) @ Manuela


Als Antwort auf: Re: eine lange Geschichte von Manuela am 13. April 2007 11:38:22:


hallo,

Hoffnung kann man eigentlich nicht verlieren, man kann sie nur aufgeben.
Was du gerade durch machst ist verdammt heftig. Aber lass dir nicht den Mut durch Leute nehmen,wie es nicht wert sind. Wer seinen Partner verlässt, nur weil der durch Krankheit ausgelöst nicht mehr seinen Erwartungen entspricht, wer sich der Verantwortung seinen Partner gegenüber dadurch entzieht, dass er einfach abhaut, der hat ein schwer wiegendes charakterliches Problem.
Halte dich an die Menschen, die deine Probleme und Ängste ernst nehmen und dir gerne zur Seite stehen. Dann wirst du merken das alles viel leichter ist, als scheint. Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute, bleibt am Ball.

- mice -


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