Fliegen und Netzhautablösung

Bernhard, Montag, 10. Dezember 2007, 12:07 (vor 5995 Tagen)

Ich habe mir mal die alten Beiträge durchgeschaut und dort wurde über den Zusammenhang von Fliegen und Netzhautablösungen spekuliert und ob man mir Gas bzw. Öl im Auge fliegen dürfte oder nicht. Ich sehe die Sache so:

Ein Problem könnte der reduzierte Luftdruck in der Kabine sein. Zwar gibt es Druckkabinen, sonst würde man ab einer Höhe von 5000m - 6000m ohnmächtig werden, aber der Luftdruck wird denoch deutlich abgesenkt, um ca. 25% bei Langstreckenflügen.

Im Auge herscht Überdruck. Die Augenärzte messen diesen in Torr, wobei 10 bis 21 Torr als normal gelten. 1 Torr ist gut 1 mbar (750,06 Torr sind 1 bar), also ist der normale Augendruck 13 - 28 mbar Überdruck gegenüber der Umgebung. Der normale Umgebungsdruck ist ca. 1000 mbar. Der Überdruck im Auge ist also nur sehr gering (weniger als 3% des normalen Umgebungsdrucks). In Reiseflughöhe wird der Luftdruck auf ca. 750 mbar abgesenkt, Dies entspricht ca. dem Umgebungsdruck in 2500m Höhe. Würde kein Druckausgleich im Auge stattfinden, so stünde dies jetzt unter gewaltigem Überdruck (ca. 250mbar oder knapp 200 Torr, also das 10- bis 20-fache des normalen Augeninnendrucks).

Normalerweise ist das Auge mit Flüssigkeit und Feststoffen (Glaskörper) gefüllt. Flüssigkeiten und Festkörper haben die Eigenschaft fast inkompressibel zu sein, d.h. sie ändern ihr Volumen unter Druck kaum. Daher ist es kein Problem, wenn der Außendruck fällt. Es tritt keine Dehnung ("Aufblähen") des Auges auf. Da die Augenwand in jedem Fall etwas elastisch ist, wird sich mehr oder minder der "normale" Augenüberdruck einstellen.

Anders ist es bei Gasen. Diese sind stark kompressibel - das Produkt aus Druck und Volumen ist konstant. Jetzt sind zwei Extremszenarien vorstellbar. Was eintritt hängt davon ab, wie das Auge gebaut ist (das müßten die Augenärzte wissen).

1. Die Augenwand ist sehr flexibel, wie die Hülle eines Luftbalons. Das Auge würde sich aufblähen. Daß dies einen Zug auf die Netzhaut ausüben würde und einen erneuten Abriß zur Folge haben könnte, ist klar.

2. Die Augenwand ist stabil wie die Hülle eines Balls. Dann würde nur eine gringe Ausdehnung stattfinden. Allerdings wäre der Augeninnendruck kurzzeitig stark erhöht. Ob das ein Problem ist, wei0 ich nicht.

Vermutlich wird die Realität zwischen 1 und 2 liegen. Man kann sich auch noch folgendes vorstellen:

3. Das Auge platzt auf bzw. das Gas tritt an eine undichten Stelle (noch nicht verheilte Operationswunde) (teilweise) aus. Nach dem Flug wäre dann die Gastamponage (teilweise) dahin.

Fazit: mit Öl im Auge sollte Fliegen wegen des Druckunterschieds kein Problem sein (inkomressible Flüssigkeit). Solange Gas im Auge ist, hätte ich Bedenken. Ich wüßte gerne ob es dazu experimentelle Untersuchungen gibt.

Welchen Einfluß die Beschleunigskräfte haben können (Kurven), weiß ich nicht. Diese sind zwar viel geringer, als bei Stößen, aber dafür entsprechend langanhaltend.


Herzliche Grüße,
Bernhard


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Wolfram (DD), Montag, 10. Dezember 2007, 14:43 (vor 5995 Tagen) @ Bernhard


Als Antwort auf: Fliegen und Netzhautablösung von Bernhard am 10. Dezember 2007 12:07:45:


Hallo Bernhard,
Deine Berechnungen sind interessant.
Zur Probematik Gastamponade und Fliegen gibt es einige Fallstudien, die im www zu finden Dir sicher leichter möglich ist, als mir, denn ich habe sehr erhebliche Augenprobleme.
Der Extrakt: nach Flügen bei Gastamponade trat fast ausnahmslos Visusverlust unter extremen Schmerzen auf, dessen Ursache bisher dadurch gedeutet wurde, daß die Blutgefäße im Auge regelrecht abgedrückt wurden.

Deine theoretischen Mutmaßungen der Auswirkungen von Flügen nach Öltamponade mögen physikalisch einleuchtend sein, aber auch wenn ich selbst Silikonöl im Auge habe (und mir der AA das Fliegen regelrecht verboten hat) stehe ich für entsprechende Experimente unter keinen Umständen zur Verfügung ;o)

Desweiteren habe ich zu Vorsichtsmaßnahmen nach NHA die Meinung, daß a) die Erfahrungen auf Grund der noch jungen Geschichte der Glaskörperchirurgie noch nicht umfassend repräsentativ sind, sowie b) ICH eher zu übertriebener Vorsicht als zu Sorglosigkeit neigen würde.
Die Zahlen der NHAn nach körperlichen oder sonstigen Anstrengungen sind sicher nicht so bedeutend höher, als die ohne körperliche Anstrengung. (vermutlich auch infolge der durchschnittlichen Altersstruktur beim "Ersteintritt" von NHAn). Beide Zusammenhänge sind nicht eindeutig beweisbar.
Es gäbe also theoretisch 4 Varianten: 1) ein "Netzi" fliegt und bekommt eine NHA; 2) ein Netzi fliegt und bekommt keine NHA; 3) ein Netzi fliegt nicht und bekommt eine NHA und 4) ein Netzi fliegt nicht und bekommt keine NHA.
Es ist also müßig - und muß von jedem selbst entschieden werden, wie er sich nun verhält.
Ein Risiko sind Belastungen mehr oder weniger doch immer.
Mit besten Grüßen
Wolfram


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Bernhard, Montag, 10. Dezember 2007, 16:12 (vor 5995 Tagen) @ Wolfram (DD)


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von Wolfram (DD) am 10. Dezember 2007 14:43:25:


Hallo Wolfram,

Der Extrakt: nach Flügen bei Gastamponade trat fast ausnahmslos Visusverlust
unter extremen Schmerzen auf, dessen Ursache bisher dadurch gedeutet wurde, daß
die Blutgefäße im Auge regelrecht abgedrückt wurden.

das kann ich mir gut vorstellen, wenn man annimmt, daß die Augenwand recht stabil ist (das muß sie wohl auch sein, weil sonst das Auge keine starken Beschleunigungen aushalten würde). Dann herrsch im Auge ein starker Überdruck, der ähnlich wie eine zu fest aufgepumpte Manschette beim Blutdruckmessen die Adern abdrückt.

Ich verstehe natürlich, daß Du mit Silikonöl nicht fliegen willst. Ich wollte nur mit meinen Überlegungen ergründen, warum Fliegen ein Problem sein könnte. Für die möglichen Problem bei einer Gastamponage im Auge finde ich eine einfache physikalisch Erklärung.

Ich werde meine AA morgem fragen, ob bei mir (noch) Gas im Auge ist. Ich hoffe nämlich heuer noch auf Skitour gehen zu können.

Herzliche Grüße,
Bernhard


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Angelika (Bayern), Montag, 10. Dezember 2007, 19:10 (vor 5995 Tagen) @ Bernhard


Als Antwort auf: Fliegen und Netzhautablösung von Bernhard am 10. Dezember 2007 12:07:45:


Hallo Bernhard,
Deine Ausführungen sind einfach Klasse. Ich vermute mal, daß sich das Auge nicht sehr dehnen kann und dadurch die Überdrucksituation eintritt (auch Grüner Star genannt). Genaue Auskünfte könnten wir allerdings über die DLR (Deutsch Luft- und Raumfahrt) bekommen. Vielleicht laufen da ja schon lange Experimente oder Kontrolluntersuchungen für die Astronauten. Dann wäre zumindest klar, wie sich ein gesundes Auge verhält. http://www.dlr.de/
Liebe Grüße
Angelika

www.sehbehinderung-bayern.de


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Angelika (Bayern), Montag, 10. Dezember 2007, 19:33 (vor 5995 Tagen) @ Angelika (Bayern)


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von Angelika (Bayern) am 10. Dezember 2007 19:10:44:


Hätte da noch eine Adresse: Rangar Yogeshwar vom WDR :-)
Die haben im Rahmen einer Sendung einmal die Auswirkungen des Fliegens auf Silikonbrüste untersucht - ist ja nicht so weit weg.....

Angelika


Re: Fliegen und Netzhautablösung

KAtharina, Montag, 10. Dezember 2007, 20:21 (vor 5995 Tagen) @ Angelika (Bayern)


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von Angelika (Bayern) am 10. Dezember 2007 19:33:01:


*lacht* und was ist mit Gasbrüsten>
Katharina


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Angelika (Bayern), Montag, 10. Dezember 2007, 21:52 (vor 5995 Tagen) @ KAtharina


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von KAtharina am 10. Dezember 2007 20:21:42:


nix Gas, Kochsalzlösung war die zweite untersuchte Füllung *gggg
Aber mit Gas, mal sehen, was denen da so einfällt *lach


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Wolfram (DD), Dienstag, 11. Dezember 2007, 09:34 (vor 5994 Tagen) @ KAtharina


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von KAtharina am 10. Dezember 2007 20:21:42:


Damit darf man nur im Frachtraum mitfliegen.
Oder - da es ja eine gefährliche Füllung darstellt - nur in durchsichtiger Tüte verpackt.
(Breast-Air - we are flying for you)
;o)


Re: Fliegen und Netzhautablösung

KAtharina, Montag, 10. Dezember 2007, 20:20 (vor 5995 Tagen) @ Angelika (Bayern)


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von Angelika (Bayern) am 10. Dezember 2007 19:10:44:


Hm, ich könnte da ja mal nett anfragen ob es dazu was gibt, wäre interessant zu wissen.
LG Katharina


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Carolin (EF), Montag, 10. Dezember 2007, 21:55 (vor 5994 Tagen) @ KAtharina


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von KAtharina am 10. Dezember 2007 20:20:32:


Kathi,
das wäre einfach genial und....SUPER!
Carolin(EF)


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Caroli (EF), Montag, 10. Dezember 2007, 22:00 (vor 5994 Tagen) @ Bernhard


Als Antwort auf: Fliegen und Netzhautablösung von Bernhard am 10. Dezember 2007 12:07:45:


TOLL, deine Ãœberlegungen.

Ich denke bei Gas sind sich die AA wenigstens alle einig, aber Öl oder eine "geflickte" Netzhaut>
Manchmal habe ich = Laie schon gedacht, vielleicht sind wir mit unseren kaputten NH so vorsichtig, weil man ja auch ziemlich unsanft landen kann= Erschütterung und diese soll man ja auch immer meiden>!
Carolin (EF)


Re: Fliegen und Netzhautablösung

KAtharina, Dienstag, 11. Dezember 2007, 12:13 (vor 5994 Tagen) @ Caroli (EF)


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von Caroli (EF) am 10. Dezember 2007 22:00:12:


Ich hatte meine 1. NHA nach einem Flug, bekkam dann eine Plombe gesetzt und wollte mich 4 Monate später von dem ganzen Kram erholen und eine Woche in den Urlaub fliegen. Schwupps, war die NH wieder ab. Seit dem lasse ich es.
LG KAtharina


Fliegen - NHA; Theorie und Praxis

Wolfram (DD), Dienstag, 11. Dezember 2007, 12:59 (vor 5994 Tagen) @ KAtharina


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von KAtharina am 11. Dezember 2007 12:13:53:


Hallo,
ich denke, die Funktionsweise unserer Augen ist so kompliziert, daß man die ganzen Prozesse - speziell bei vorgeschädigten Augen - nicht mit nüchternen physikalischen Betrachtungen analysieren kann.
Mal ein technisches Beispiel: ich habe mich eine ganze Zeit mit Kohlestaub beschäftigen müssen.
Rein physikalisch dürfte nichts passieren; zu einem Brand gehören 3 Dinge: brennbares Material, eine Entzündungstemperatur und Sauerstoff. Um keine Entzündungstemperatur zu liefern, ist dort absolutes Rauchverbot.
Und trotzdem habe ich mehrere Brände, eine schwere und 3 leichte Verpuffungen erlebt.
Vorsichtsmaßnahmen hin oder her... Auch wenn in 99% der Fälle nix passiert.
Bei technischen Anlagen findet man (später) zwar meist eine Ursache; dafür findet man nach der NHA auch immer jemanden, der sagt, daß es ohne Fliegen auch passiert wäre. Beweisen kann er´s nicht...
Und wenn die NH dran bleibt: Glück gehabt - oder>
Wäre MIR zu heikel.
viele Grüße
Wolfram


Re: Fliegen und Netzhautablösung

rop, Montag, 10. Dezember 2007, 23:44 (vor 5994 Tagen) @ Bernhard


Als Antwort auf: Fliegen und Netzhautablösung von Bernhard am 10. Dezember 2007 12:07:45:


Hallo Bernhard,
kommt mir alles sehr plausibel vor, hätte meine bessere Hälfte auch so hergeleitet und durchaus nachvollziehbar. Bist du Ingenieur ;-D >
lg rop-rp


Re: Fliegen und Netzhautablösung

Bernhard, Dienstag, 11. Dezember 2007, 12:58 (vor 5994 Tagen) @ rop


Als Antwort auf: Re: Fliegen und Netzhautablösung von rop am 10. Dezember 2007 23:44:11:


Nein, ich bin Physiker. Allerdings liegt mein Studium schon ein paar Jährchen zurück und die jahrelange Verdummung in der Industrie ist nicht spurlos geblieben. Aber für so einfache physikalische Problemchen langt es noch.


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