menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe

M;atthias, Mittwoch, 12. Dezember 2007, 16:54 (vor 5993 Tagen)

hallo zusammen,

derzeit wir in Deutschland ja sehr viel über Sterbehilfe gesprochen / geschrieben. U. A. wurde auch von einer Frau aus Niederbayern berichtet, die sich mit Hilfe einer Sterbehilfeorganisation aus der Schweiz das Leben nehmen wollte. Es ist dann nicht dazu gekommen, da sie einem Bekannten davon erzählte, welcher die Polizei verständigte.
In einem Interview im Bayerischen Fernsehen wurde die besagte alleinstehende Dame gefragt, weshalb sie denn sterben wollte.
Neben andauernden starken Schmerzen hätte sie 7 Augen-OP`s hinter sich und die 8 . sollte bevorstehen. Sie wollte das nicht mehr, zumal eine Besserung nicht in Sicht sei. Sie würde in ihrem Umfeld wegen der starken Sehminderung nicht mehr zurechtkommen, könne nicht einkaufen gehen und den Haushalt versorgen etc.
Jede/r hat sicherlich zu Sterbehilfe eine eigene Meinung und ich möchte darauf weiter nicht eingehen, sondern wollte nur den Fall schildern.
Nun wie wird das weitergehen, zur Zeit kümmert sich die Kreisbehörde um die Frau, aber wie lange und was dann >>

Ich hoffe das Beste für sie

LG

Matthias


Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe

Wolfram (DD), Mittwoch, 12. Dezember 2007, 17:40 (vor 5993 Tagen) @ M;atthias


Als Antwort auf: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe von M;atthias am 12. Dezember 2007 16:54:57:


Hallo Matthias,
ich weiß auch nicht, warum sich die Massenmedien gerade jetzt verstärkt mit diesem Thema beschäftigen.
Es ist ein sehr heikles Thema - und wie Du sagst, jeder hat seine Meinung dazu. Ich denke, jeder soll - SOLANGE ER DAZU IN DER LAGE IST - selbst über sein Leben entscheiden können und dürfen. Das Problem ist aber, daß man "dann" oft nicht mehr selbst entscheiden kann. Patientenverfügung hin, Verantwortung her.
Es gibt ja auch das Problem aktive und passive Sterbehilfe.

Aber in dem von Dir geschilderten Fall geht es eigentlich gar nicht darum. Es ist ein Hilferuf! Konkret: heute braucht niemand mehr Schmerzen zu erleiden. Dazu gibt es jede Menge Medikamente - und im letzen Stadium - die Palliativmedizin.
Wenn absolut keine Hoffnung mehr besteht, das Leben nur noch Qual und Leiden ist, kann man darüber nachdenken. ABER ERST DANN! UND NUR DANN!
In diesem konkreten Fall ist dieses System angeklagt! Dieses System, daß diese Frau erbarmungslos allein läßt. Trotz Pflegeversicherung, trotz betreuten Wohnens, trotz Pflegeheim, trotz (zum Glück noch vorhandener) Nachbarschaftshilfe. Diese Frau hat vielleicht noch eine Familie, die helfen würde, wenn sie könnte; wenn man sie lassen würde...
ja, in diesem Land passiert sowas! In diesem Land, in dem diejenigen, die uns vertreten sollen, nicht wissen, in welcher Reihenfolge sie ihre Bezüge erhöhen sollen; wo unfähige und korrupte Manager und Politiker mit Millionen "abgefunden" werden, wo andererseits Menschen hungern und eingie nicht wissen, wohin mit ihrem Geld.
Es ist so blamabel!
Du hast recht - auch darüber sollte man Weihnachten einmal nachdenken.
Ich erhoffe auch das Beste für diese Frau.
LG Wolfram

Re: menschenwürdiges Leben -

Mela, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 12:42 (vor 5992 Tagen) @ Wolfram (DD)


Als Antwort auf: Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe von Wolfram (DD) am 12. Dezember 2007 17:40:18:


Ich stimme dem Beitrag von Wolfram in ganzer Linie zu- Hervorheben möchte ich zwei Punkte- Hilferuf - und: In diesem konkreten Fall ist das System angeklagt!
Das Thema Sterbehilfe möchte ich hier aussenvor lassen-da es sich bei dem o.g. Fall nicht um eine unheilbate Krankheit handelt sondern um genau die beiden von Wolfram angeführten Themen-

Unser Gesundheitssystem bietet ja vordergründig einige Hilfen für solche "Fälle" wie den der Frau an aber wie sieht es aus wenn man die Hilfen in Anspruch nehmen muss - Meine noch sehr frischen Erfahrungen zeigen, man bekommt diese Hilfen nur wenn man Nerven wie Drahhtseile, Menschen die hinter einem stehen und die Gabe sich als Fall und nicht als Mensch zu betrachten hat.Nachdem ich den Kampf um meine Sehfähigkeit verloren hatte und den Kampf um meine neue nun andere Zukunft aufgenommen hatte, bin ich bei der Krankenkasse gegen Beton gelaufen- Bewilligung eines Mobilitätstrainings dauerte fast 6 Monate- Weitere Hilfsmittel Dauer 17 Monate- Man spielt bei den KK auf Zeit und hofft darauf das der Antragsteller die Nerven verliert und sein Ziel nicht weiter verfolgt. Aber aus Erfahrung wird man bekanntlich klug und Hilfe von unserem System bekommt man nur wenn man sie einfordert und sich nicht abspeisen lässt. Ich habe grade meinen ersten Antrag für ein Hilfsmittel gestellt, bei dem ich meine neu gewonnenen Erfahrungen einstzen kann. Das heißt, ich warte nicht auf die Bewilligung sondern auf die Ablehnung damit ich schnell in ein Widerspruchsverfahren gehen kann und dann die Bewilligung bekomme - So läuft es...... Und noch eine Erfahrung wende ich jetzt an- nicht still abwarten -nachhaken bis der Sachbearbeiter Albträume von mir bekommt...

Man muss die Zeit bis man Hilfen bekommt aber auch aushalten können und da sind Menschen die einem den Rücken stärken das Allerwichtigste.

Hilfen um das tägliche Leben in der Zwischenzeit zu bewältigen sind leider sehr,sehr dürftig. Das Problem wie komme ich an die nötigsten Dinge zum Leben musste ich leider auch erfahren. Man muss schon sehr erfinderisch sein.....

Hat man aber erstmal Lösungsstrategien entwickelt geht alles auch wieder in ein normales Leben über und man findet sein Lachen wieder

Ich möchte Euch auf diesem Weg noch etwas mitgeben: Wenn Eure Augen nichtmehr so gut sind oder sich verschlechtern versucht bitte diesen Sehrest als etwas sehr wertvolles zu betrachten- ich weiß aus eigener Erfahrung das man das so nur schwer sehen kann - man sieht in der Situation mehr "das was man nichtmehr erkennen kannn" als das was man noch erkennen kann. Vergesst nicht das weniger auch sehr viel sein kann....Verliert nicht die Wertschätzung gegenüber Euren Augen

Ich wünsche Euch schöne besinnliche Feiertage
Mela


Re: menschenwürdiges Leben -

M;atthias, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 14:09 (vor 5992 Tagen) @ Mela


Als Antwort auf: Re: menschenwürdiges Leben - von Mela am 13. Dezember 2007 12:42:35:


hallo mela,

danke für Deinen Beitrag.
Recht und Hilfe bekommt man nur, wenn mann/frau penetrant hartnäckig bleibt und so wie Du, bei Antragstellung schon den Widerspruch bereit hält. Nur sehr viele können das nicht, weil ihnen die Ausdauer, Durchhaltevermögen oder auch der Beistand von anderen fehlen.
Dann ergeht es ihnen vielleicht wie dieser Dame, die nun vorerst "gerettet" ist.
Was wird sein, wenn der Fall aus den Schlagzeilen verschwunden ist >

Weiterhin alles Gute für Dich

LG

matthias


Re: menschenwürdiges Leben -

KAtharina, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 20:21 (vor 5992 Tagen) @ Mela


Als Antwort auf: Re: menschenwürdiges Leben - von Mela am 13. Dezember 2007 12:42:35:


Mela, ich danke Dir vor allem für Deine abschießenden Worte.
Alles Liebe zu Dir
KAtharina


Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe

KAtharina, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 20:15 (vor 5992 Tagen) @ Wolfram (DD)


Als Antwort auf: Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe von Wolfram (DD) am 12. Dezember 2007 17:40:18:


Schließe mich Dir mal wieder an, ohne Worte.
LG KAtharina


Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe

Walter, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 06:56 (vor 5992 Tagen) @ M;atthias

Guten Morgen, Matthias,
eine sehr schwere Frage. Ich betreue u.a. ein Altenpflegeheim und habe mich mal intensiv mit der Leiterin der Demenz-Abteilung unterhalten, da ich diese Abteilung jedes Mal besuche, wenn ich zur Vorstandssitzung komme.
Auf meine Bemerkung, dass die bedauernswerten Menschen wohl kein Glück mehr emfpinden können, sagte sie mir mit aller Bestimmtheit, da sei ich aber falsch gepolt: diese (meist) alten Damen wären wohl mitunter sehr glücklich, nur nicht mehr zur Selbstbestimmung fähig. Man müßte ihnen mit Nächstenliebe zur Seite stehen. Da war das Wort: Nächstenliebe. Mich hat das sehr beeindruckt.
Der sogenannte Bekannte, der die Absicht der Frau verraten hat, hätte besser daran getan, die Dame zu lieben und nicht zu verraten oder für irgendeine "Ordnung" zu sorgen.
Wir haben es geschafft, die Welt zu ordnen in Deutschland, aber was Nächstenliebe ist, wissen nur ganz wenige Menschen.
Ich hoffe, die Dame findet jemanden, der sie liebevoll umsorgt und ihr hilft, damit sie wieder Freude am Leben findet.
Herzliche Grüße
Walter

Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe

M;atthias, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 14:43 (vor 5992 Tagen) @ Walter

Hallo walter,

ja, vieles in Deutschland ist geordnet und verordnet. Dennoch werden Menschen vom System nicht immer aufgefangen, viele bleiben einfach auf der Strecke, weil z. B. Sehbehinderte oder auch Demenzkranke nicht unbedingt in eine Pflegestufe eingeordnet werden, solange sie selbst essen, sich ankleiden oder zur Toilette gehen können. Betreuung in einem Heim, Tagesheim oder einem betreuten Wohnen ist dann oft nicht möglich, außer die eigenen finanziellen Möglichkeiten erlauben das. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, so fern Angehörige da sind, diese auch die Möglichkeit haben, ihre Pflegebedürftigen auch zu pflegen ohne Verlust des Arbeitsplatzes. Wenn man sich für die Menschlichkeit und Nächstenliebe entscheidet, ist dies mit zum Teil gravierenden Nachteilen für das weitere Fortkommen verbunden.

Kein Wunder, dass Suizide gerade bei alten Menschen sehr zunehmen.

Und jetzt muss ich für Selbstbestimmung und Sterbehilfe plädieren, es darf doch nicht sein, dass ich in Deutschland einem Schweizer Verein beitreten muss und dann in die Schweiz zum Sterben fahre, nur um mein Recht auf Selbstbestimmung über mein Leben oder den eigenen Tod in Anspruch nehmen zu können.

LG

Matthias

Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe

Mela, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 20:11 (vor 5992 Tagen) @ M;atthias


Als Antwort auf: Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe von M;atthias am 13. Dezember 2007 14:43:14:


Hallo Matthias,

zu Deinem letzten Beitrag: Pflegestufe bei Demenz- der MDK hat daran gearbeitet- Eine Einstufung in eine Pflegestufe ist seit Anfang 07 erleichtert worden.

Einstufung in eine Pflegestufe bei Sehbehinderung> Wenn jemand bei den AEDL`s Hilfe im vorgegebenen Rahmen benötigt, bekommt er auch eine Pflegestufe-
Nur Sehbehinderung oder Blindheit bedeutet ja nicht gleich pflegebedürftig- Ich für meinen Teil würde an die Decke gehen, wenn man mich als pflegebedürtigen Menschen bezeichnen würde. Ich fühle mich lediglich andersfunktional-

Um nochmal auf den Fall der sehbehinderten Dame zu kommen- der mich ziemlich bewegt hat- Da ich doch einiges gut nachvollziehen kann- Es fehlen die schnellen Hilfen für Probleme die den täglichen Bedarf betreffen- beispielsweise müsste es in so einem Fall eine Anlaufstelle geben, die die nötigen Schritte wie Mobilitätstraining, LPF (lebenspraktische Fertigkeiten), Haushaltshilfe usw anbieten-damit man die Akutphase überstehen kann-Und nicht in einer Ausnahmesituation sich alles selbst erarbeiten muß-

Diese Schritte werden wohl jetzt bei der Dame eingeleitet-aber muss es erst soweit kommen-das sich jemand mit dem Thema Tod beschäftigt um Hilfe zu bekommen> Denn eine Sehbehinderung ist ja nicht wirklich ein Fall für das Thema Sterbehilfe-

Gruß Mela

Re: menschenwürdiges Leben

M;atthias, Freitag, 14. Dezember 2007, 12:01 (vor 5991 Tagen) @ Mela


Als Antwort auf: Re: menschenwürdiges Leben - Sterbehilfe von Mela am 13. Dezember 2007 20:11:08:


hallo Mela,

danke für Deinen Beitrag.
Es mag zwar sein, dass der MDK in Bezug auf Demenzkranke in Pflegeeinstufung einiges verbessert hat. Nur ich habe andere Erfahrungen; es wurde einer Dame in der Verwandschaft die Einstufung verweigert und auch der Widerspruch verlief im Sande. Die Dame ist demenzkrank, das ist unbestritten. Doch die Dame hat Glück, ihre Tochter kann sie versorgen, weil sie in einem gemeinsamen Haushalt leben.
Mich beschäftigt die Dame mit Sehbehinderung (Freitod) auch sehr, ansonsten hätte ich im Forum den Fall nicht angesprochen.
Ich will hoffen, dass ihr auch wirklich geholfen wird, dass sie in Zukunft ein menschenwürdiges Leben auch Leben kann.

Nur, was ist ein menschenwürdiges Leben > Jede/r wird darunter etwas anderes verstehen.

LG

Matthias


RSS-Feed dieser Diskussion
powered by my little forum