Vielleicht noch eine Anregung ...

Ursula (NRW), Donnerstag, 09. Februar 2006, 07:39 (vor 6654 Tagen)

Hallo, an alle Netzis!

Gestern habe ich nach etlichen Wochen wieder ins Forum schauen können und habe angefangen, die Beiträge nach und nach zu lesen, wie es euch ergangen ist. Hört sich zur Zeit auch bei euch nicht so gut an. Daher möchte ich kurz erzählen, was ich die letzten Wochen gemacht habe, vielleicht ist da noch eine hilfreiche Anregung für euch dabei, die irgendwie weiter helfen kann.

Also: Letzten November habe ich eine 3wöchige Reha bewilligt bekommen. Diese habe ich Anfang Jan. begonnen. Es gibt eine Augenklinik in Deutschland in Thüringen, wo man sowas machen kann. Eigentlich war ich der Meinung, dass ich sowas nicht wirklich brauche, weil ich meine Situation recht gut im Griff habe und ich verinnerlicht habe, dass ich im Okt. 2004 einen Großteil meiner Sehkraft durch NHA verloren habe.
Diese Klinik ist wirklich gut, sie ist landschaftlich schön gelegen, hat ein gutes Angebot an begleitenden Therapien und ist in der Tat ein Platz zur Rekonvaleszenz.
Über die AA dort mag man sich streiten (ich fühle mich bei meinem AA und der Uniklinik Dü-dorf deutlich besser aufgehoben). Allerdings hat man mir dort sehr klar aufgezeigt, wie meine Situation mit den Augen ist.
Dort hatte ich für mich zum ersten Mal die Gelegenheit, alle Alltagsdinge abzugeben und mich ausschließlich um mich zu kümmern. Das hatte den Effekt, dass ich in den ersten beiden Wochen der Reha richtig zusammenbrach und ich nur noch weinen konnte. Man hatte mir gesagt (ich wusste es zwar, aber wollte es nicht wahrhaben), dass mein rechtes Auge definitiv für immer hin ist ("da muss man nicht mehr dran rumbasteln") und ich froh sein könnte, wenn ich auf dem linken Auge mein Leben lang so viel sehe, wie ich sehe und wenn keine Komplikationen auftreten. (Sehkraft ca. 25 % mit Brille und Silikon).
Als stützende Therapie habe ich eine vierwöchige Hammer-Vitaminkur und 2 Wochen konzentrierte Sauerstoffkur gemacht. Nebenher habe ich Fango und Massagen fast täglich bekommen, da merkte ich erst, wie angespannt ich war, auch jetzt nach 5 Wochen ist mein Rücken noch so verspannt, dass ich mich manchmal kaum rühren kann.
Das Beste an der Reha war jedoch die Möglichkeit, eine Woche zur funktionalen Belastungserprobung ins Berufsförderungswerk Halle zu fahren. Dort wurde mein Arbeitsplatz (Computerarbeitsplatz) simuliert und ich hatte eine "normale Arbeitswoche". D.h. morgens um halb acht fingen wir an (es waren noch andere Patienten aus der Reha dabei) bis mittags ca. 16.00 Uhr. Man hatte für mich einen ARbeitsplatz mit der Ausstattung , die ich zur Zeit leihweise zur ERprobung habe, nachgestellt und ich habe dort büroähnliche Tätigkeiten gemacht. Auch etliche psychologische Fragebögen beantwortet, Fähigkeits- und Fertigkeitstests gemacht. Die Betreuung erfolgte durch einen Medizinpädagogen, einen Psychologen, einen Optiker und eine Praktikantin. Es wurde ein Profil erstellt, wie ich auf die Belastungen reagiere. Sprich Augendruck gemessen, Gesichtsfeld, Sehschärfenveränderung, körperliche und seelische Befindlichkeit erfragt, ... also ein Rundumpaket erstellt.
Es war für mich endlich! die Gelegenheit, auch selbst zu sehen, wie ich reagiere. Ich habe für mich die Werte "schwarz auf weiß" gebraucht, um zu erkennen, dass ich tatsächlich hochgradig sehbehindert bin, dass meine Gesamtbefindlichkeit "krank" ist und nicht mehr "gesund".
Die Woche, die ich dort verbrachte, war repräsentativ für die Wochen, die ich versucht habe, wieder zu arbeiten. Ich habe es einfach nicht geschafft.
Dieses Resultat ist für mich sehr niederschmetternd. Obwohl ich es wusste! Aber ich hab es nicht kapiert. Ähnlich wie Katharina es in einem ihrer letzten Beiträge geschrieben hat: ich wollte mein Leben vor NHA zurück. Ich habe auch so gedacht und gehandelt, und mir weissgemacht, dass ich alles im Griff habe und die Situation schon voll im Griff habe.
Jetzt bin ich wieder zuhause, das Krankengeld läuft bald aus, und ich habe Existenzangst bis zum Geht-Nicht-Mehr. Jetzt fängt die ganze Maschinerie der Behördengänge an, um meinen Lebensunterhalt nach Krankengeld zu sichern. Auch das erschöpft mich und macht mir Angst. Ich fühle mich immer noch so, als ob das alles nicht wahr sein dürfte.
Mein Ziel ist aber: Ich möchte mein Augenlicht erhalten (klare Aussage war in den 5 Wochen der Reha: "Wenn Sie so weitermachen, sehen Sie bald nichts mehr, weil jede Belastung auf Ihr Auge schlägt"). Und alles andere ist irgendwie zu bewältigen.
Der Beitrag ist jetzt sehr lang geworden, aber es war mir ein Bedürfnis das an euch weiterzugeben. Einfach als Anregung, wo Ihr vielleicht auch Hilfe bekommen könnt, und vielleicht als Chance, sich neu zu orientieren. Es braucht alles seine Zeit!
Ich wünsche allen, dass die Zuversicht nie weg geht, denn es geht immer irgendwie weiter, nur anders als geplant.
Ursula



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