schön, dass ich euch gefunden habe :o)

Nicole, Mittwoch, 18. Januar 2006, 10:39 (vor 6674 Tagen)

Hallo zusammen, nichts ist schlimmer, als mit einem Problem alleine dazustehen bzw. das Gefühl zu haben, der einzige Mensch auf der Welt zu sein, der in jungen Jahren mit Netzhautproblemen zu kämpfen hat.

Ich leide an progressiver Myopie. Meine erste Brille bekam ich mit 6 Jahren, danach hatte ich bis zu meinem 12 Lebensjahr ein Jahresabo beim Optiker für stärkere Gläser.... Wie gesagt, mit 12 bekam ich dann meine ersten Kontaktlinsen (harte), mit denen ich damals wie heute gut zurecht kam. Mit Beginn des Kontaktlinsentragens stabilisierte sich meine Kurzsichtigkeit etwas, sie nimmt zwar auch heute immer noch zu, aber nicht mehr so schwerwiegend wie damals.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Kontaktlinsentragen und der Stabilisierung der Sehstärke.

Mit meiner Kurzsichtigkeit kam ich gut zurecht, ich nahm es als "gottgegeben" hin und verschwendete selten einen tiefergehenden Gedanken darum. Bis dann im Juli 1999, ich war 25, der Tag X kam, vor dem ich mich insgeheim trotz meiner Sorglosigkeit immer gefürchtet habe:

direkt in der Makula meines rechten Auges tauchte ein Miniminimini-kleiner schwarzer Punkt auf, anders (dichter, kompakter) als die mir bekannten mouches volantes, und nicht so flexibel. Und das schlimmste: er verschwand nicht nach ein paar Minuten (wie man es öfter hat bei einem unbeabsichtigten Blick in die Sonne z.B.). Bei mir rasselten sämtliche Alarmglocken, und zwei Tage später stand ich - völlig aufgelöst - bei meinem Augenarzt auf der Matte, der a. nix fand und b. mich aufgrunddessen für psychisch etwas unzulänglich erklärte.

Der Fleck blieb und wurde größer. In meiner Panik kontrollierte ich die Vergrößerung des Flecks fast sekündlich und durch die ganzen Testereien - auch mit dem Amsler - "verblödete" ich irgendwann total und sah irgendwann nur noch alles kreuzundquer. :o/ Meine Arbeit litt, meine Freunde waren nur noch genervt - und ich ein ebensolches Nervenbündel. Ich rannte wieder zum Augenarzt, zu einer Uniklinik und einem Notdienst im Krankenhaus.

Und niemand, wirklich niemand konnte mir sagen, was ich habe. Von einer "Wölbung der Netzhaut" war die Rede und anderer Schmarrn, dabei war mein zentrisches Sehen auf dem rechten Auge mittlerweile so gut wie ausgeschaltet durch die Megablutung, die sich mittlerweile gebildet hatte. KEIN Arzt kam auf die Idee, dass es sich hier um eine Netzhautblutung handeln könnte!

Ich wurde wieder für psychisch unzulänglich erklärt und nach Hause geschickt.

Meine Arbeit litt so stark, dass ich irgendwann nicht mehr konnte und mich selber in eine offene psychiatrische Klinik einwies und darüber meinen Job verlor (ich war so ehrlich, denen meine Absichten offenzulegen - mein Arbeitgeber wollte aber leider keine 6 Wochen auf mich verzichten und trennte sich darauf von mir). Ich hatte Angst, mein Augenlicht zu verlieren und hegte Selbstmordgedanken. "Dummerweise" erwähnte ich das gegenüber meinem damaligen Chef, um ihm zu verdeutlichen, wie es mir ging, aber er hatte nix besseres zu tun, als das weiterzutratschen, und irgendwann glotzen mich nur noch alle anderen mitleidig an. Die letzten Tage waren einfach nur "super" in dieser Firma.

In der Klinik ging es mir dann besser. Als der Druck mit dem Job nachließ, quasi ab dem Zeitpunkt, wo ich meine Kündigung in der Hand hielt, ging es mir besser. Das Blut baute sich ab, ich konnte wieder besser sehen, wenngleich mein Visus im Makulabereich stark verzerrt und ausgeblichen ist und blieb.

Leider blieb es jedoch nicht bei der einen Blutung. Nach gut einem Jahr begann die nächste. All die Jahre gab es vielleicht einen Zeitpunkt von ca. 1,5 - 2 Jahren, in dem sich mal nix tat und die Netzhaut keine Aktivität zeigte.

Mein Trostpflaster war jedoch mein linkes Auge, das - trotz höherem Augendruck (habe auch Glaukom) und Dioptrien - immer noch eine gute Figur machte. Die Netzhaut war zwar auch hier dünn (mit mittlerweile -11 Diop. darf sie das aber auch sein ;o)), aber sie hielt.

..... bis vor einem Monat.

All die Jahre habe ich gehofft, dass das mit dem rechten Auge eine einmalige Sache ist. Dass es danach nicht mehr passiert. Habe gehofft, gebangt. Und nun hat es mich auch links erwischt. Zum Glück peripher, zum Glück sehr oberflächlich in der Netzhaut, zum Glück so klein, zum Glück wird der Riß an dieser Stelle wahrscheinlich problem- und folgenlos wieder verheilen. Übermorgen habe ich mal wieder eine Angiografie, wo sich entscheiden wird, ob ggfs. nochmal gelasert werden muß oder nicht. Ich hab die Sache EINIGERMASSEN entspannt genommen, weil ich weiß, dass Aufregung schädlich ist. Und nachdem ich weiß, dass ich da nochmal einigermaßen gut davongekommen bin, ist das auch alles nicht sooo tragisch wie beim ersten mal auf dem rechten Auge.

Und WIEDER habe ich gehofft: ok, nun hast du auch links einen Riß, aber es ist nochmal gut gegangen, das eine Mal, so harmlos - verschmerzt du doch.. Pustekuchen. Seit gestern habe ich - wieder links - einen neuen "Herd" im Visier. Etwas seitlich des "alten" Risses, noch perpherer als der andere und wahrscheinlich auch absolut oberflächlich - und trotzdem: ich krieg langsam extrem zuviel.

Jedes Mal denke ich mir: So, das wars jetzt gewesen, jetzt passiert dir nix mehr. Und prompt kommt was neues hinzu. Ich lebe mit dem täglichen Bewußtsein, dass eines Tages auch meine linke Makula den Geist aufgibt und es das damit gewesen ist mit dem Sehen. Und davor hab ich mehr als Angst.

Manchmal schließe ich mein linkes Auge und gucke bewußt nur mit dem rechten, kaputten Auge, um mir vorzustellen, wie das vielleicht sein wird, wenn ich links auch nicht mehr richtig sehen kann. Ich werde dann nicht mehr Auto fahren können. Meinen Mann nicht mehr erkennen, mich vielleicht auch nicht mehr um meine vielen Tiere kümmern können.... Und davor hab ich am meisten Angst. Dass ich meine Tiere abgeben muß (es sind ziemlich viele), weil ich es mit der Versorgung nicht packe. Mein Mann kann mir wenig helfen, weil er natürlich arbeiten ist.

Ich werde dann so unendlich traurig und wütend, weil man dem so hilflos ausgeliefert ist. Ich hab Angst davor. Und dann lese ich hier Eure Beiträge. Menschen, die es noch viel, viel schlimmer erwischt hat, und die trotzdem nicht aufgeben. Das gibt mir neuen Mut, und doch... die Angst bleibt. Und die sitzt so tief, dass sie mir niemand nehmen kann. Mein Mann sagt immer: "mach dich nicht verrückt". Ja sicher, er hat recht. Aber ich glaube, das würde jeder in meiner - unserer - Situation tun. Sich verrückt machen. Angst haben. Immer wieder enttäuscht zu werden, weil man hoffte: das wars jetzt und jetzt kommt nix neues mehr. Und dann - wumm! - mit einem Flimmern werden quasi alle Hoffnungen wieder zunichte gemacht.

Ich bin froh, dass ich dieses Forum gefunden habe. Weil ich hier zum ersten Mal richtig nachlesen konnte, wie vielen Menschen es ähnlich wie mir geht. Auch jüngeren Menschen. Und es tut gut zu wissen, dass Ihr mit Eurem Handicap gut zurecht kommt.

Ich habe hier trotzdem leider wenig Hinweise gefunden, wie Ihr Euren Alltag meistert. Welche Hilfen gibt es für Menschen, die speziell in der Makula geschädigt sind und ja nun wirklich so gut wie nichts mehr gescheit sehen können>

Sorry, dieser Text ist lang geworden, und man kann irgendwie auch gar nicht so recht etwas dazu sagen. Trotzdem hat es mir gut getan, mir das mal von der Seele zu schreiben.

Danke fürs zulesen und lieben Gruß,
Nicole

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